Der bekannteste unter den Kentauren ist wohl Chiron, Erzieher der Helden, und weiser Leh- rer und Heiler. Er sticht unter allen Kentauren hervor, die meist in großen Gruppen zusam- men lebten. Doch zwei seiner Artgenossen spielten im Mythos auch wichtige Rollen: Pholus und Nessus, über den ich später erzählen werde.
Pholus und Herakles |
Alle drei gelten als Planetoiden, die nicht zum Asteroidengürtel gehören. Während Chirons Bahn zwischen Saturn und Uranus kreuzt, und als Brük- kenbauer zwischen der Alten und der Neuen Welt gilt, ist Pholus' Bahn wesentlich exzentrischer, wie wohl auch sein Wesen. Sein Perihel (größte Son- nennähe) liegt innerhalb der Saturnbahn; er über- kreuzt die Uranusbahn, und sein Aphel (größte Sonnenferne) verläuft bis über die Neptunbahn hin- aus. Man kann Pholus also als Wandler zwischen Saturn und Neptun sehen, dabei mit starken ura- nischen Elementen versehen. Bei Chiron gab es große Akzeptanz seiner Zwittergestalt, wobei das menschliche Verhalten überwog und sich in die Heilung des Schmerzes kanalisieren konnte. Bei Pholus hingegen dominiert das Anima- lische, der instinktive Trieb, der sich über alle Regeln, Normen und Grenzen hinwegsetzt.
Nähern wir uns also Pholus, eine der geheimnisvollsten Gestalten, zumal die Mythologie nur sehr wenig über ihn erzählt. Er wurde am 9. Januar 1992 in Tusconita/Arizona entdeckt, und seine Umlaufzeit beträgt etwa 92 Jahre.
Über die Herkunft von Pholus gibt es zwei Versionen: die eine erzählt, daß er von Ixion und Nephele abstammt (s. Artikel über Ixion), die zweite Version ist diese (teilw. Auszug aus „Pholus“ von Robert von Heeren):
Baumnymphe |
Sein Vater ist Seilenos, ein Satyr (auch Silenen), oft als häßlich beschriebene Naturwesen, die in Bergen und Feldern hausen. Seilenos war jedoch etwas Besonderes, ein Sohn des Pan und einer Nymphe, und wird als Er- zieher des Dionysos bezeichnet. Seilenos gilt als Weiser und Prophet, was sich offensichtlich auf Pholus vererbt. Hygin zufolge gilt er als Meister der Opferweisheit, ge- paart mit großer Neugier. Von den übrigen Kentauren un- terscheidet sich Pholus auch wie Chiron durch feine Bil- dung und edle Gesinnung. Seine Mutter ist eine Eschen- nymphe, deren Name nicht überliefert ist. Nymphen wie Silenen werden als Naturgeister sehr alt. Eine Baum- nymphe stirbt, sobald ihr Baum verendet, wird gesagt.
Pholus wohnt in einer Höhle im Pholoe Gebirge, südlich des Erymanthos Gebirges auf dem nordwestlichen Peloponnes in der Landschaft Elis. Es gibt dort auch heute noch ein Dorf namens Pholoe. Pholus ist wie Chiron auch Jäger, und auf Vasendarstellungen sieht man ihn häufig mit einem Ast über der Schulter, und daran hängender Jagdbeute. Er ist eine schil- lernde Figur und hat neben den Licht- auch Schattenseiten. So liebt er den Wein in rauhen Mengen. Nach Vergil zählt er unter die von Herakles getöteten Kentauren. Nach Ovid war er beim Laphitenkampf anwesend, beteiligte sich offenbar am Frauenraub und mußte mit den anderen Kentauren vom Peliongebirge flüchten.
Das Schicksal des Kentaurenvolkes ist durchweg katastrophal. Durch ihre Zügellosigkeit provozieren sie einen Krieg mit dem Lapithenvolk. Die Lapithen sind menschlicher Natur, leiten sich wie die Kentauren von Ixion ab, unterscheiden sich aber von diesen durch ihre hochstehende Kultur und Ethik. Kentauren und Lapithen streiten sich um das Erbe des Ixion. Nach erbittertem Kampf kommt eine Einigung zustande, und die Kentauren erhalten das Peliongebirge. Zur Hochzeit des Lapithen-Königs Peirithoos lädt er auch die Kentauren ein, aber der Wein tut seine Wirkung, und die Kentauren fallen über die anwesenden Frauen her. In der Folge kommt es wieder zur Auseinandersetzung, viele Kentauren werden getötet, und die übrigen müssen fliehen. Chiron und Pholus waren anwesend, aber wie sie sich dort ver- halten ist nicht überliefert.
Dafür finden wir mehr im Kentaurenkampf, der mit der 4. Aufgabe des Herakles zu tun hatte. Auf dem Weg ins Erymanthosgebirge, wo Herakles den 'erymanthischen Eber' jagen will, kommt er bei den Kentauren vorbei, und Pholus lädt ihn zum Essen ein. Jedoch bietet er nichts zu trinken an, was Herakles ärgert, als er ein großes Fass Wein entdeckt. Pholus entgegnet, dieser Wein gehöre allen Kentauren, weshalb er ihn nicht öffnen wolle. Herakles aber kennt keine Bedenken und öffnet den Wein, worauf er bald betrunken in Pholus Höhle liegt. Hier widersprechen sich die Überlieferungen, manche sagen, Herakles habe Pholus bedroht, andere meinen, er habe selbst den Wein an Herakles gereicht. Inzwischen haben die anderen Kentauren den Wein gerochen und sind vom Duft betört. Sie bewaffnen sich und greifen an, um den Wein zu rauben.
Während Pholus sich verbirgt, läßt Herakles sich in einen Kampf verwickeln, obwohl die Kentauren von ihrer Mutter Nephele her Götter sind. So tötet Herakles viele von ihnen und verfolgt die Kentauren, die sich in ihrer Not zu Chiron flüchteten. Beim Kampf wird Chiron unabsichtlich von Herakles giftigem Pfeil verwundet. Leidend zieht er sich zurück, kann je- doch nicht sterben, weil er unsterblich ist. Mehr über Chiron
Pholus aber wundert sich, daß so kleine und harmlos scheinende Pfeile so große Kentauren töten können. Er nimmt einen dieser Pfeile und betrachtet ihn staunend. Da gleitet dieser ihm aus der Hand und verletzt ihn am Fuß – was seinen sofortigen Tod zur Folge hat. Herakles begräbt ihn, und benennt nach ihm das Pholoe-Gebirge.
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Pholusbahn |
Das Wesen Pholus erscheint uns eher introvertiert (fast alle Planeten unter dem Horizont), auch vorsichtig, aber auch so unbekümmert und vertrauens- voll, daß es ihn sogar das Leben kostet. Scheinbar nicht selbst verursachte Ereignisse bringen ihn in Situationen, wo er schnell handeln muß, was jedoch häufig in Selbstsabota- ge endet. Pholus Planeten- bahn verläßt den 'sicheren' Bereich Saturns, und wagt sich spontan in neue Dimensionen (Kreuzung der Uranusbahn). Doch sind es nicht nur die äußeren Ereignisse, die ihn verändern, sondern tiefgreifende innere Erschütterungen. Durch das Überschreiten der Uranusbahn wagt er sich in spirituelle Erfahrungsbereiche, auf der Suche nach Wahrheit. Und nicht nur das: indem er auch noch die Neptunbahn in Richtung Pluto überschreitet, macht er existentielle Erfahrungen, bis hin zum Tod.
Das Entdeckungshoroskop ist sehr vielschichtig. Es beginnt mit dem Skorpionthema, und läßt uns ahnen, daß hier eine alte Last der Vorfahren aufzuarbeiten ist. Dabei geht es um den Umgang mit Macht und Selbstdurchsetzung (Pluto H1 in 1). Und wir sehen auch gleich, daß dies tatsächlich Ixions 'Erbe' ist, nämlich wo durch Macht und Gewalt das göttliche Schöpfungsprinzip verletzt wurde (Pluto Konj. Ixion + Quaoar). Mehr über Ixion
Der Streit ums Erbe der Kentauren und Laphiten (Merkur H8 in 2 Konj. Mars) war dann auch sinnlos, weil das Erbe Ixions ganz anderer Natur war, und Pholus trägt es unbewußt für alle. Durch diesen Streit wurde Pholus jedoch in einen äußeren Lebenssturm gezogen; dies ist die Besonderheit, wenn man Planeten auf dem Galaktischen Zentrum stehen hat (Merkur + Mars Konj. GZ). Dann wird man immer wieder vom Leben herumgewirbelt, wie in einem Tornado, und kommt erst zur Ruhe und ins Gleichgewicht, wenn man im Herzen ange- kommen ist – im Auge des Sturms. So etwa kann man sich die Wirkung des GZ vorstellen (kenne ich aus eigener Erfahrung). Mit Planeten auf dem GZ handelt man wie selbst- verständlich aus dem Herzen, man kann gar nicht anders.
Pholus Entdeckung |
Pholus hat eine äußerst hohe Selbst- kontrolle, die fast schon wie ein Ge- fängnis wirkt (Pluto SP Saturn). Damit ist auch eine gewisse Angst verbun- den, die Wahrheit zu sagen, oder seine unkonventionellen Gedanken mitzutei- len aus Angst vor Ablehnung (Saturn H3 SP Pluto, Uranus + Neptun in 3). Dabei hat er ein großes Bedürfnis, seine Gefühle in Worte zu fassen (Uranus H4 + Neptun H5 in 3), aber die Angst von Pluto-Saturn kann lange Zeit größer sein. Und weil hier auch eine Schockerfahrung vorliegen kann (Uranus Konj. Neptun), dürfte es große Mühe bereiten, sich zu artikulieren. So schien sein Vater Seilenos mehr mit geistigen Studien beschäftigt, als Pho- lus Geborgenheit zu geben (Uranus H4 Konj. Neptun Trigon Jupiter). Die Mutter war irgendwie nicht da (Sonne H10 Konj. Neptun, Orcus am MC), stattdessen dürfte Chiron eine Eltern- rolle eingenommen haben (MC Konj. Chiron).
Es gab viele Konflikte in ihm, so war einerseits sein Selbstwert übersteigert (Jupiter H2 Qu. Venus in 2), wobei er viel Freude daran hatte, andere einzuladen und zu bewirten (Venus H7 in 2), so holte er sich damit ein Stück Familienleben ins Haus (Mond H9 in 4). Hoch empfindsam (Mond in Fische in 4) konnte er sofort spüren, wenn etwas falsch lief, doch der uranische Impuls verläuft entweder ungeschickt (Uranus-Neptun) oder wird gedanklich blockiert (Saturn H3 SP Pluto). Doch der Fische-Mond kennt auch den Schmerz, in seinem Wunsch nach Geborgenheit und Liebe immer wieder enttäuscht zu werden (Mond in SP-Opp. + Venus im SP-Qu. zu Nessus). Auch von anderen mißbraucht zu werden, dürfte sein Thema sein (Sedna in 7). Ein Teil von ihm ist bestimmt auch wütend auf alles Mütterliche, wenn er keine Zuwendung bekommt; vielleicht deshalb auch die Frauenraub-Geschichte (Mars Konj. Ceres). Und genau dies ist ein ganz zentrales Thema von globaler Bedeutung, das Pholus uns deutlich vor Augen führt (Mars Konj. Ceres auf Weltmeridian 0° Steinbock). In meinem Buch „Was würde die Liebe jetzt tun?“ hatte ich bereits ausführlich begründet, daß mangelnde Zuwendung und das Fehlen von Liebe und Geborgenheit sich in sublimierter Übertragung in Hass und Zerstörung auf das Weibliche und Behütende äußern kann, wie wir ja tagtäglich erleben.
Rückseitenspiegelung |
Trotz allem bleibt Pholus sehr vertrauens- selig, und merkt erst in letzter Minute, in welch unmögliche Situationen er sich bringt. Es gibt noch mehr Besonderheiten, dieses Radix ist eine Fundgrube für Spiegelpunkte, wie auch für die Rückseitendeutung: eine ungelöste Neptun-Uranus Spannung läßt die Rückseite Mars-Venus wirken – beide sind in 2 und symbolisieren den Schnitt ins Gewebe, hier mit dem Pfeil. Dann finden wir noch einen Sonne-Venus Spiegelpunkt, was sich netter anhört als es ist: die Rückseite Pluto-Uranus verlangt erstmal die Befreiung von allen Schattenthemen, bevor Sonne- Venus sich entfalten kann. Pholus hätte also erkennen müssen, daß das Gewaltthema Ixions sich in blinder Wut äußern kann, wenn er seine Instinkte nicht beherrscht. Denn genau das bringt ihn in diese Lebens- strudel und Schwierigkeiten, und zwar des- halb, weil Mars genau in der Halbsumme all der genannten Konstellationen steht, in Kurzform: Mars = Sonne-Venus, = Uranus-Pluto, = Saturn-Pluto. Es ist hiermit ein Ausbrechen aus tiefster Frustration gekennzeichnet, das plötzlich und fast unbewußt geschehen kann, mit manchmal katastrophalen Folgen.
Warum ist Pholus nun ein Wandler zwischen Saturn und Neptun? Nicht nur, weil er deren Bahn kreuzt, sondern weil wir auch diese Konstellation indirekt finden: Mars-Merkur ist der entzündliche Prozeß von Neptun-Saturn, weil dessen Rückseite. Es ist der Wille zur Be- freiung (Merkur H11 Konj. Mars), der nun in einem kritischen Stadium ist und wo einiges falsch laufen kann. Es ist hier der Drang sich zu artikulieren, was lange heruntergeschluckt wurde (Mars H6 in 2), und weil der Uranus nicht frei war, er somit große Mühe hatte, auf seine innere Wahrheit zu hören.
Das Seelenziel ist, Verantwortung für seine Worte und Handlungen zu übernehmen (Saturn Herr des Nordknotens), was auch nur klappt, wenn die Schattenthemen Plutos erlöst sind. Pholus hat es nicht geschafft. Hier ist der unbedingte Wille zur Bereinigung all dieser The- men nötig, was nur gelingen kann, wenn in Verbundenheit mit dem Herzen gehandelt und gesprochen wird (Mars-Merkur Konj. GZ). Bei Transiten von Pholus (jetzige Position 18° Schütze) werden wir also in ähnlicher Weise so herausgefordert, bisherige innere Grenzen zur Befreiung zu überschreiten, aber niemals die Grenzen von anderen. Das bestätigt auch der aktuelle Saturn-Transit auf Pholus AC: wenn wir jetzt nicht in die Verantwortung gehen, erfahren wir die Konsequenzen ganz real. Nicht umsonst haben wir seit geraumer Zeit eine Pholus-Ixion Konjunktion am Himmel, als globale Aufgabe, das Erbe von Gewalt endlich zu unterlassen. Es kann gelingen, wenn wir im Einen Herzen zentriert sind.
Ephemeriden:
http://www.astro.com/swisseph/pholus.htm
alle Kentauren:
http://wiki.astro.com/astrowiki/de/Kentauren
Literatur:
„Pholus – Wandler zwischen Saturn und Neptun“, Robert von Heeren
„7 Kentauren Ephemeride“, Robert von Heeren, beide Chiron-Verlag